Stand: 30.1.2004 .  Buch-Vorstellung . Buch- Kritiken

Den Beginn der Automobilität markiert ein vulkanischer Super-GAU, der 1816/17 in Europa das Klima veränderte. Das fahrphysikalisch so einfache wie geniale Prinzip des Karl Drais - zwei Räder in einer Spur - war die Antwort auf die Not der Menschen, die ihre Pferde schlachten und vor Hunger essen mußten.

Die Erfindung der Drais'schen Laufmaschine gilt als Urknall der Mobilitätsgeschichte, denn der Mensch setzte sich erstmals auf Maschinen statt auf Pferde. Eine mobile Avantgarde machte das muskelkraftbetriebene Zweirad populär und ebnete so den Weg für die weitere Entwicklung zu Fahrrad, Motorrad, Automobil, Aeroplan, ...

Was als biographischs Lesebuch über den Erfinder und 1849er Demokraten Karl Drais beginnt, entwickelt sich nach seinem Bekenntnis zum imperativen Mandat zu einem unglaublichen Politkrimi.

Diese Biographie bereitet nicht zuletzt wegen der bisher unbekannten Bilddokumente und erstmals erschlossenen Quellen ein opulentes Lesevergnügen. Ein umfangreiches Personenregister, ein zusätzlicher tabellarischer Lebenslauf und die Angabe der Jahreszahl auf jeder Seite ermöglichen trotz der hohen Zahl an Seiten einen guten Zugriff auf einzelne Lebensabschnitte.

Ohne jeden Zweifel ist dieses Buch das neue Standardwerk zu Karl Drais und seinen Erfindungen.

Hans-Erhard Lessing:
Automobilität
Karl Drais und die unglaublichen Anfänge
MAXIME Verlag, Leipzig; 2003
528 Seiten, Hardcover; unzählige Abbildungen, EUR 32,-
ISBN 3-931965-22-8
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Kritiken zum Buch:

Mannheimer Morgen

Frankfurter Rundschau

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Neue Sachbücher

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Technik und Motor

ADFC Radwelt online

Stadt Baden-Baden (Rezension von Rika Wettstein)
 
 

Mannheimer Morgen, 22.10.2003

Ein bewegender Technik-Thriller
Karl Drais und die Laufmaschine
Hans-Erhard Lessing legt Biografie des Erfinders vor

Von unserem Redaktionsmitglied Thorsten Langscheid

Ein biographisches Lesebuch besonderer Art ist ab heute in den Buchhandlungen erhältlich: Hans-Erhard Lessing, Mannheimer Technikhistoriker, hat sich der Lebens- und Zeitläufte eines wirklich großen Sohns Mannheims angenommen. Seine umfassende Karl-Drais-Biografie, im Manuskript schon seit geraumer Zeit fertig, erscheint - dank eines Druckkostenzuschusses der Heinrich-Vetter-Stiftung - jetzt endlich.

Das Werk nur als Lesebuch zu bezeichnen, wäre eine unzulässige Verkürzung dessen, was Lessing, Jahrgang 1938, tatsächlich geleistet hat. Natürlich spielt die Biografie des Freiherrn von Drais, geboren 1785, eine wichtige Rolle in dem Buch, das in Wirklichkeit aber eine Geschichte der individuellen Mobilität ist. So wählten Lessing und seine Leipziger Verlegerin Maxi Kutschera den etwas sperrigen Titel "Automobilität - Karl Drais und die unglaublichen Anfänge" mit dem Zusatz "Die ultimative Drais-Biografie".

Und wirklich - die Anfänge sind unglaublich und abenteuerlich. 50 000 Tote auf der Insel Bali nach einem verheerenden Vulkanausbruch im Jahre 1815 mit katastrophalen Folgen weltweit: ein Schneesommer in Europa und den USA, Ernteausfälle, Hungersnot und Cholera, explodierende Haferpreise, Pferdesterben überall in der alten Welt. Drais' Idee vom pferdeunabhängigen Fortbewegungsmittel kommt in dieser Situation gerade zum richtigen Zeitpunkt, seine Laufmaschine ist in kürzester Zeit weltweit bekannt und verbreitet. Aber die Haferpreise sinken wieder, und die Draisine entwickelt sich zum Lieblingsspielzeug für Dandys und Stutzer, dessen Benutzung auf den Bürgersteigen wegen der Gefährdung für Fußgänger bald in den meisten Städten bei hohen Strafen verboten wird. Wenn man so will, die Geburtsstunde des Trendsports.

Doch die mobile Avantgarde, einmal auf dem Zweirad ins Rollen gekommen, ist nicht mehr aufzuhalten. Mit Fug und Recht und zahlreichen Beweisen vertritt Lessing die These, dass Drais' Erfindung den Weg für Fahrrad, Motorrad, Automobil und Flugzeug geebnet hat. Drais, ein Spross des mittellosen Beamtenadels, wird zunächst gefeiert und geehrt, später aber von der preußischen Restauration hart abgestraft. 1849 hatte sich der Freiherr öffentlich als Bürger und Demokrat geoutet und seine Privilegien niedergelegt. Die Monarchisten machen ihn zu Lebzeiten, aber erst recht nach seinem Tod, verächtlich, verleumden ihn als skurrilen Clochard, der seiner Mitwelt eine nutzlose Erfindung aufnötigen wollte. Seiner Pension beraubt, stirbt Drais im Dezember 1851.

Der Freiherr verschwindet daraufhin auch auf dem historischen Parkett erst einmal in der Versenkung und sogar sein 150. Todestag vergeht, ohne dass ein Hahn nach ihm kräht. Erst in diesem Jahr organisieren Mannheimer Bürger ein großes Karl-Drais-Event und setzen dem Erfinder ein würdiges Denkmal. Lessings Buch erzählt diesen atemberaubenden Technik-Thriller anhand zahlreicher Bild- und Textdokumente, klar gegliedert in kurze, prägnante Kapitel. Eine bewegende Art, Geschichte aufzubereiten.
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Frankfurter Rundschau, 10.12.2003

Automobil dank Drais

Von Peter Barzel

Die Laufmaschine von Karl Drais ist aus der Not geboren. Die Jahre 1812 bis 1817 waren Hungerjahre. Menschen und Pferde, die Basis des Individualverkehrs, waren nicht mehr zu ernähren. Die Pferde wurden notgeschlachtet und verzehrt. Der Haferpreis, wirtschaftlich seinerzeit so bedeutend wie heute der Ölpreis, schoss in die Höhe.

In dieser Situation erfand Drais die Laufmaschine, mit der er erstmals am 12. Juni 1817 in Mannheim auf öffentlichen Straßen fuhr. Drei Jahre zuvor hatte er mit dem Prototypen eines vierrädrigen, durch Menschenkraft angetriebenen Vehikels noch keinen Erfolg gehabt. Doch nach der großen Hungersnot von 1816 wurde das hafersparende Individual-Fahrzeug Laufmaschine rasch weltweit nachgebaut. Drais' Fahrmaschine war das erste Auto-Mobil in des Wortes eigentlicher Bedeutung.

"Automobilität" lautet denn auch der Titel der Drais-Biografie des Mannheimer Technikhistorikers Professor Hans-Erhard Lessing, der nicht nur die Bedeutung der Draisschen Erfindung nachweist, sondern zahlreiche zeitgeschichtliche Facetten um die Person des Erfinders zu berichten hat.

Die hölzerne Draisine war ein Meisterstück im Leichtbau, etwa so schwer wie ein modernes Hollandrad. Die ersten Eisen-Velozipede Mitte des 19. Jahrhunderts wogen um die sechzig Kilogramm! Widerstände erfuhr die Laufmaschine vor allem aus politischen Gründen. Nachdem der Haferpreis wieder gefallen war, wurden Draisinen auf den Gehwegen verboten - die unbefestigten Fahrbahnen der Pferdefuhrwerke waren zu zerfurcht. Und als Drais sich in der Revolution 1849 zum imperativen Mandat bekannte und den Adelstitel ablegte, wurden er und seine Laufmaschine vielfach verspottet. Zahlreiche Abbildungen, Abdrucke originaler Dokumente und die Gliederung in kurze Kapitel nach Art kurzweiliger Zeitungsartikel machen dieses Buch zu einer informativen und unterhaltsamen Lektüre.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2003, Nr. 297, S. 37
Neue Sachbücher
Da hat einer sein Zeitfenster genutzt

So kam etwas wirklich Neues in die Welt: Hans-Erhard Lessing rehabilitiert den Erfinder Karl Drais

Von Edward Gorey stammt die unheilvolle Geschichte "Die Draisine von Untermattenwaag". Draisinen heißen so nach dem Herrn Drais, der auch eine ...

Das Einstellen dieser Rezension würde den ADFC EUR 50,- / Jahr an Gebühren kosten, daher hier nur Zusammenfassung dieser Rezension durch Gerd Hüttmann:

Dieser Rezensent bescheinigt Lessing ein schönes, reich bebildertes und liebevoll aufbereitetes Werk, dass wohl nicht geschrieben wurde, um damit das Geld zum Lebensunterhalt zu verdienen. Der Rezensent gibt gut wieder, wie der kompetente Erfinder Karl Drais Opfer eines Rufmordes wurde und seine Erfindung gerade aufgrund ihres Erfolges behördlich verboten und damit in's Abseits gedrängt wurde. Er weist darauf hin, dass eine recht kleine Schriftgröße verwendet wird - der Verleger habe an nichts gespart, außer an der Druckerschwärze.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.12.2003, Nr. 298, S. T4,
Technik und Motor
Die Erfindung von allem
Eine "ultimative Drais- Biographie" / Am Anfang war die Laufmaschine
Ein wenig erschöpft langt der Rezensent auf Seite 525 an. Da erblickt er auf der vorvorletzten von 527 Seiten ein Zitat von Arno Schmidt. Und ...

Das Einstellen dieser Rezension würde den ADFC EUR 50,- / Jahr an Gebühren kosten, daher hier nur Zusammenfassung dieser Rezension durch Gerd Hüttmann:
Dieser Rezensent bescheinigt dem Buch eine von Wiederholungen nicht freie enorme Materialfülle, die ihm unter anderem durch die abgedruckten  Orginalquellen teilweise die Schwerverdaulichkeit von Gänsebraten verleihe: schmecke schon, sei aber doch arg fett. Das Buch sei ein ausgesprochen reizvoll aufgemachtes Technikbuch und nicht nur ein Lebensbericht, sondern eine Rehabilitation von Karl Drais.

Kommentar von Gerd Hüttmann:
Diesen Rezensenten ehrt, dass er das zu besprechende Buch offensichtlich vollständig gelesen hat, um sich einen umfassenden Eindruck zu verschaffen. Dabei hat er scheinbar das Buch von vorn bis hinten nacheinander weg gelesen und stellt mit Unwillen fest, dass er die am Ende zusammen gefasste Richtigstellung der gängigsten Fehlurteile über Karl Drais beim Lesen des umfangreichen Buches bereits zur Kenntnis genommen hat.

Der Vorteil des Buches ist jedoch gerade, dass es eben nicht von vorn bis hinten gelesen werden muß, wenn man sich über bestimmte Aspekte im Leben von Karl Drais oder über seine Erfindungen informieren will. Die einzelnen Abschnitte können weitgehend für sich gelesen  werden, wo nötig, wird durch Querverweise auf Zusammenhänge mit anderen  Kapiteln aufmerksam gemacht. Der Abdruck von Orginaldokumenten mit  Randnotizen und Kommentaren von Lessing ermöglichen auch dem nicht  technik-geschichtlich vorgebildeten Leser einen Einblick in die zeitgenössische Aufarbeitung des Themas aus erster Hand.

Zur Orientierung dienen neben dem selbstverständlich vorhandenen Inhaltsverzeichnis mehrere Zusammenfassungen, unter anderem etwa die genannte Richtigstellung der gängigsten Fehlurteile, ein tabellarischer Lebenslauf und ein Personenregister. Die gesuchten Passagen lassen sich anhand der Seitenzahl, aber auch mit der auf jeder Seite erwähnten Jahreszahl des Geschehens leicht auffinden. Man mag darüber sinnieren, ob die zusammenfassenden Kapitel für den eiligen Leser besser auf den ersten Seiten platziert wären, mit der dann zu erwartenden Einrede, dass alles bereits Gesagte nun auf 500 Seiten ausgewalzt wird - überflüssig sind sie sicher nicht.
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radwelt-online, Dezember 2003
http://www.radwelt-online.de/, dort: Aktuelles -> Museen-Service

Technikgeschichte ohne Zopf

Von Christoph Rasch

Wen die historischen Museums-Exponate inspiriert haben, mehr über Fahrrad- und Mobilitätsgeschichte zu erfahren, der ist gut beraten mit einem neuen, unverblümten Buch über den Erfinder des ersten Fahrrads - und den politischen Repressalien, denen er und seine Erfindung ausgesetzt waren.

Die schicksalhafte Erklärung findet sich in einer alten Zeitung von 1849: Freiherr Karl Friedrich Ludwig Christian Drais von Sauerbronn - der Erfinder des ersten, im Laufen betriebenen Fahrrades - bekennt sich zu Demokratie und schwört seinen Adels-Privilegien ab. Für den späteren Karl Drais und das Erbe, das er der Technikgeschichte hinterließ, eine folgenreiche Tat.

Der Publizist und Technik-Wissenschaftler Hans-Erhard Lessing verbindet in seinem neuen Buch zwei Handlungs- und Erzählstränge miteinander, die mehr und mehr logisch miteinander verwoben erscheinen: Zum einen leitet der Autor in einem außerordentlich spannenden Stil her, wie das Fahrrad im 19. Jahrhundert zum Prototypen einer neuen, individuellen "Automobilität" jenseits des Pferdes wurde - und damit zum direkten Vorläufer der ersten Automobil-Entwicklungen. Fahrrad und Auto stünden somit "in einer Entwicklungslinie" - das Drais'sche Laufrad als "Vorläufer von Fahrrad, Motorrad, Automobil und Aeroplan."

Und: Lessing beschreibt, wie der zum Demokraten konvertierte Drais systematisch zuerst von konservativ-monarchistischen Kreisen, später dann von einer immer mächtiger werdenden Automobil-Lobby diskreditiert und lächerlich gemacht wurde - und seine revolutionäre Erfindung sogar mit Verboten und Gesetzes belegt wurde, um Eisenbahnen und Autos den wirtschaftlichen Weg zu ebnen. Und eine "verzopfte", altertümliche Technik-Geschichtsschreibung habe lange ihren Teil dazu beigetragen, Drais und seine Erfindung herunterzureden: "Die Perücken-Automobilhistoriker haben noch 1986 die Stirn, den Vater des Automobils (Drais) zu verleugnen."

Das mit zahllosen Fotos und historischen Dokumenten angereicherte Buch ist durchaus provokanter Stoff, ist viel mehr als eine bloße Drais-Biografie - und liest sich dabei wie ein spannender Polit-Krimi.
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Technikbegeisterte, Fahrradfreaks und Liebhaber von Geschichte und Geschichten werden ihre helle Freude an
Automobilität- Karl Drais und die unglaublichen Zusammenhänge haben.
(Rezension von Rika Wettstein)

In kurzweiliger Form macht Hans-Erhard Lessing auf 528 Seiten mit den Ergebnissen seiner offensichtlich akribischen
Forschungsarbeit zu Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais bekannt.

Allgemeine Ausführungen zur technischen Entwicklung werden ebenso zugänglich wie die Geschichte des Landes Baden in der
Zeit von 1785 bis zur badischen Revolution 1848/49 und natürlich Leben und Wirken des einfallsreichen badischen
Forstmeisters, Kammerherrn und Professors der Mechanik, dem die Erfindung des Laufrades zu verdanken ist.

Sachlich belegt werden Zusammenhänge und Hintergründe verdeutlicht und manche Missdeutung und Fehlmeldung aufgedeckt,
beispielsweise die des Datums der ersten Zweiradfahrt der Geschichte. Die Karlsruher Zeitung schrieb vom 12. Juli, das
Baden-Badener Badwochenblatt vom 12. Juni, wie auf Seite 140 nachzulesen ist:

"Diese Nachricht der Karlsruher Zeitung vom 1.8.1817 wurde von allen Zeitungen bis nach England und in die Schweiz
nachgedruckt - doch die Monatsangabe ist falsch! Tatsächlich stand die Nachricht schon im Badwochenblatt der Stadt
Baden-Baden vom 29.7.1817, das als Wochentag der Erstfahrt einen Donnerstag nennt, und so kann der Hundertjährige
Kalender entscheiden, ob das überall gehandelte Datum 12. Juli für die Erstfahrt stimmt oder der 12. Juni laut Badwochenblatt.
Das Badwochenblatt hat natürlich recht, der 12. Juni war ein Donnerstag, wogegen der 12. Juli ein Samstag war. Also
Brockhaus, Deutsches Museum, Encyclopedia Britannica, Encarta - bitte korrigieren!"

Hans-Erhard Lessing, Jahrgang 1938, promovierte an der TU Berlin und ist außerplanmäßiger Professor der Universität Ulm.
Nach Laser-Grundlagenforschung unter anderem im kalifornischen IBM-Labor San José wandte er sich der Technikgeschichte zu und wirkte an Museen in Mannheim und Karlsruhe.
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